DIE ORANGE ALTERNATIVE
- Geschichte der Bewegung -
Orange Alternative (Pomarañczowa Alternatywa) ist der Name einer legendaren anarchistischen, politisch-kulturellen Bewegung, die 1981 in Wroc³aw von Waldemar Fydrych -genannt Major, Kommandant der Festung Breslau- gegeründet wurde.
Die Bewegung wies gewisse Ähnlichkeiten mit der kulturellen Protestbewegung der Provos auf.
Die Orange Alternative organisierte unter starkem Einfluss von Dadaismus und Surrealismus Happenings und malte abstrakte Zwergen-Graffiti auf die Farbflecken, die durch das Übermalen regimekritischer Sprüche enstanden waren.
Die Zwerge wurden zu ihram Maskottchen und machten sie zur farbenfrohesten Erscheinung der antikommunistischen Opposition in Polen.
Angeblich rührt die Bezeichnung "Orange Alternative" daher, dass diesse Farbe zwischen den beiden Farben liegt, die die zentralen politischen Kräfte in Polen symbolisieren , nämlich die (einst kommunistische) Linke, also Rot, und die Katholische Kirche, also Gelb. Zunächst war es die Bezeichnung einer studentischen Zeitung, die Major Fydrych und Andrzej Dziewit 1981 während der Studentenstreiks in Wroc³aw herausgaben. Tatsächlich war jedoch Andrzej Dziewits Begeisterung für die holländische Provo-Bewegung der 1960er Jahre Ursprung des Namens.
In den Jahren 1986-1989, als die Proteste der Solidarnoœæ langsam verklangen, erreichte die Orange Alternative ihr aktivste Phase und wurde zum reinsten Ausdruck des Sozialistischen Surrealismus, dessen Manifest der Anführer der Bewegung, Major, verkundet hatte. Anders als die Bewegungen, die um nationale oder auch wirtschaftliche Befreiung kämpften, benutzte die Orange Alternative keine konkreten Leitsprüche. Ihre Strategie war vielmehr eine radikalere : durch Happening-Aktionen das Monopol des Staates auf die Wahrheit in Frage zu stellen.
Viele dieser Aktionen hatten geniale Züge, wenn sie Spaß mit rücksichtslosem Verlachen der Regierung verbanden. Anführer und geistiger Vater der Alternative war "Major" - ein charismatischer Absolvent der Geschichte und Kunstgeschichte. Major war auch Ideengeber bei den meisten Happenings, von denen die gelungensten in den den westlichen Massenmedien mit der Zeit zu geren wiederholten Anekdoten wurder.
1988 weitete sich die Orange Welle über ganz Polen aus und auch in anderen Großstädten, wie Poznañ, Gdañsk und Krakau wurden Happenings organisiert. Wahrend des Streiks in Nowa Huta 1988 wurde den Arbeiteren ein Brief verlesen , der ihre Protestaktionen enthusiastisch unterstutzte - Autor des Briefes war Lenin.
Ein andermal sang eine Menschenmenge vor den Schimpansengehegen im Wroc³awer ZOO Stalinhymnen.
Nach der Freilassung Piniors und Borowczyks (Oppositionelle Aktivisten und Mitglieder der Polnischen Sozialistischen Partei) am 30.Juni 1988 wurde ein Gerichtsprozess als Happening inszeniert, bei dem Pinior, Borowczyk, Marx und Engels angeklagt waren. Später im selben Jahr marschierten zum Jahrestag der Oktoberrevolution 4000 Menschen durch Warschau und riefen "Wir lieben Lenin".
Alle Aktionen der Orange waren unglaublich erfolgreich und versammelten teilweise über 10.000 Menschen, die glücklich waren, gemeinsam ein Regime auszulachen und zu verhöhnen, das nur eine Wahrheit anerkannte und nur eher standardisierte Protestformen gewöhnt war.
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Zunächst wurde die Orange Alternative scharf von seiten der traditionellen Opposition kritisiert, da die Aktionen sich auch über sie lustig machten. Der Erfolg der Orangen, diese Opposition zu demystifizieren, indem den einfachen Bürgern die Teilnahme an ihr ermöglicht wurde, ohne sich verändern und den Pfad des klassischen Aktivismus beschreiten zu müssen,verschaffte ihnen die Unterstutzung traditioneller Oppositionsgruppen, darunter "Freiheit und Frieden" ( Wolnoœæ i Pokój) und die Polnische Sozialistische Partei, aber auch Mitglieder des KOR ( Komitee zur Verteidigung der Arbeiter}, z.B. Jacek Kuroñ. Zur Orange Alternative gehörten zudem Krzysztof Skiba aus £ódz, später Sänger der Band Big Cyc , Jacek Protasiewicz aus Wroc³aw, heute Mitglied des Europaischen Parlaments, sowie Adam Lipiñski, einer der Parteiführer der PiS (Recht und Gerechtigkeit).
Die Orange Alternative ging nicht mit dem Kommunismus unter . Sie änderte nur ihre Ziele. Nach einer kurzen Pause kehrte die Bewegung mit dem Happening " Zwerg for President" auf die Straßen zurück. Während der Wahlen des Warschauer Stadtpräsidenten war dieses Happening eine Aktion im Rahmen der Wahlkampagne "Für ein fröhliches und kompetentes Warschau". Es wurde in Miros³aw Dembiñskis Film "Zwerg for President" (Krasnoludek Prezydentem) verewigt. .
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Spuren der Orangen Alternative findet man auf der ganzen Welt: Dissertationen, Magisterarbeiten, Bücher. Einige der besten Universitäten der USA bieten Vorlesungen an, in denen die Bewegung besprochen wird.
Heute ist die Orange Alternative auch über Polen hinaus aktiv. Einige Happenings wurder in Frankreich in Kooperation mit Studierenden der Universitaten Arras und Nancy gegen Globalisierung, Stereotypen und unkontrollierten Aktionen des Polizeistaates organisiert.
Auf Einladung des Bürgermeisters von Nancy organisierten Major Fydrych und Studierende der Univesitat Nancy am 1.Mai 2004 ein Happening zur EU-Osterweiterung im Rahmen des Festivals Traversees. Im Dezember 2004, als die Ukraine vom demokratischen Aufbruch der Orangen Revolution ergriffen wurde, schlossen sich Major Fydrych und eine Gruppe polnischer und ukrainischer Studenten an: Sie organisierten das Happening "Kiew - Warschau - Gemeinsame Sache" (Kijów - Warszawa - Wspólna Sprawa) und fahren mit dem Orange Bus von Warschau nach Kiew. Unterwegs hielten sie in polnischen und ukrainischen Städten und organisierten Happenings, deren Teilenhmer den Orangen Schal der Unterstutzung stricken konnten, den die ukrainische Sängerin Ruslana - Ikone der Revolution und Siegering des Eurovision Song Contest - vor der Ukrainischen Botschaft in
Warschau begonnen hatte.
Den 16 Meter langen Schal uberreichten Major und Maja - eine junge Studentin polnisch-ukrainischer Abstammung-auf einer Bühne auf dem Maidan der Sängerin Ruslana am Tag des zweiten Wahlgangs vor hunderttausenden versammelten Unterstützern der Revolution als Symbol der polnisch-ukrainischer Freundschaft.
Ruslana überreichte ihn Präsident Juschtschenko einige Minuten nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse bei seinem Auftritt auf dem
Maidan. Eingewickelt in den Schal sangen Juschtschenko und seine Wahlmannschaft gemeinsam mit der versammelten Menschenmenge die
ukrainische Nationalhymne. Über die Ereignisse in Kiew und die Abenteuer des Orangen Busses drehte Miros³aw Dembiñski den Film "Die Zwerge fahren in die Ukraine"(Krasnoludki jad¹ na Ukrainê). Im Juni 2005 wurde im Europäischen Parlament eine Ausstellung über die
Geschichte der Orange Alternative gezeigt. Im Novenber und Dezember 2005 folgte eine Ausstellung in mehreren ukrainischen Großstadten.
Unter anderem war sie einen Monat lang im Zentrum für zeitgenössische Kunst der Kiewer Mohyla-Akademie zu sehen - der angesehensten
Galerie für Modern Kunst der Ukraine,angesiedelt an der wichtigsten akademischen Einrichtung des Landes.
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Heute, rückblickend auf mehrere Jahrzehnte, kann die Orange Alternative als eine der einflussreichsten Bewegungen des passiven Widerstandes und Antitotalitarismus weltweit gelten und folgt der Tradition Mahatma Ghandis
Basierend auf dem Artikle"Oranges and Lemons" von George Branchflower in Here & Now,no.7/8, 1988.ft
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